Vierteljahresschrift für das Gesamtgebiet der katholischen Theologie
Begründet von Kardinal Leo Scheffczyk • ISSN 0178-1626
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Zusammenfassung

Martin Mayerhofer:
Die geistliche Vaterschaft des Priesters in patristischen und mittelalterlichen Pauluskommentaren
(FKTh 2020-2, S. 80–100)

An mehreren Stellen seiner Briefe bezeichnet sich der Apostel Paulus als Vater für seine Gemeinden (v.a. 1 Kor 4,14–16, 1 Thess 2,11–12). Diese Beziehung gründet darin, dass er sie „durch das Evangelium gezeugt“ (1 Kor 4,15) hat und ihnen weiterhin mit väterlicher Sorge nahe ist. Die patristische und mittelalterliche Exegese sah in diesen Versen eine Beschreibung der geistlichen Vaterschaft des Priesters. Darf sich jedoch ein Priester als „Vater“ ansprechen lassen, da Christus doch ausdrücklich untersagt, jemanden auf Erden Vater zu nennen (vgl. Mt 23,9)? Dies ist möglich, so der exegetische Konsens, solange der Priester nicht mit diesem Titel eine Autorität beansprucht, die Gott zusteht, sondern sein Amt als einen Dienst versteht. Die Auslegungstradition entfaltet ein recht einheitliches Bild der geistlichen Vaterschaft, das sich v.a. durch vier Eigenschaften auszeichnet: Der geistliche Vater dient dem Glauben der Menschen, der in Christus und nicht in menschlicher Zuneigung gründet; er gibt durch sein eigenes Leben ein Vorbild in Glaube und Tugend; den Menschen ist er in liebevoller Sorge zugetan und leitet sie u.a. durch eine liebevolle correctio paterna; Ziel seines Dienstes ist es, die Gläubigen zu begleiten, damit Christus in ihnen Gestalt annehmen (vgl. Gal 4,19) kann. Das Verständnis des Priesters als geistlicher Vater kann ein wertvoller Impuls sein, die priesterliche Identität in vertiefter Weise zu verstehen und einseitig verkürzte Sichtweisen (Manager, Verwalter, Theologe, Liturge) zu überwinden.

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